Überblick über die Geschichte der Gemeinde Karneid

Die Geschichte der Gemeinde Karneid ist von mehreren einschneidenden Ereignissen geprägt. Aufgrund zahlreicher Ausgrabungen und Funde lässt sich heute ein durch schlüssige Fakten belegter Abriss der Entwicklung von den urzeitlichen Anfängen bis herauf ins 21. Jahrhundert entwerfen. Das Land entlang der Etsch, dem Eisack und der Rienz ist seit der mittleren Steinzeit besiedelt, dies bezeugen Funde aus dem 7. bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. In der Jungsteinzeit besiedelten die Menschen vor allem die Gebirgsterrassen entlang der Haupttäler. In waldfreien oder waldarmen Gegenden ließen sich die ersten Viehzüchter und Ackerbauern nieder. Auch das Gebiet der heutigen Gemeinde Karneid dürfte in dieser Zeit Siedlern eine Heimat geboten haben. Heute noch zeugen die Überreste sogenannter Wallburgen von der Besiedelung der Berg- und Hügelkuppen am Eingang des Eisacktales. (Urzeitsiedlungen)

An der Besiedelung des Gebietes waren mehrere Völkergruppen maßgeblich beteiligt: Zum einen fand man Spuren der Illyrer und Veneter, zweier indogermanischer Stämme, und der Etrusker. Die Römer, die das Land in ihrem Zug nach Norden ab 25 v. Chr. unterworfen und romanisiert haben, hielten diese Stämme mit der Bezeichnung Räter in ihren Schriften fest. (Die Räter)

Die Völkerwanderung im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. setzte der Römerherrschaft ein jähes Ende. (Das Ende der Römerherrschaft)

Mit dem Einzug der Bajuwaren im 6. Jahrhundert nahm schließlich die Germanisierung ihren Anfang. Die einheimische Bevölkerung verschmolz mit der germanischen und ging schließlich in ihr auf. Da Bozen der südlichste Punkt des Herrschaftsgebietes der Bajuwaren war, umschloss deren Einfluss auch das heutige Gemeindegebiet. (Von den Römern bis zu den Bajuwaren)

Nach und nach entstanden von Grafen verwaltete Gaue, die dem bayrischen Herzog unterstellt waren. Das Gebiet der Gemeinde Karneid unterstand wahrscheinlich sowohl der Grafschaft Bozen als auch der Grafschaft Norital, dem heutigen Eisacktal. (Unter der Herrschaft der Bajuwaren)

Mit der Zeit wurden die Lehen erblich, die Grafen aber immer dreister und kamen ihrer Treuepflicht nicht immer nach. Aus diesem Grunde erwogen die bayrischen Herzöge, geistliche Würdenträger als Fürstbischöfe einzusetzen, um einerseits die Erbfolge zu umgehen und andererseits mehr Kontrolle ausüben zu können. Im Jahre 1027 verlieh Kaiser Konrad die Grafschaften Trient und Bozen Bischof Ulrich II. und das Eisacktal bis ins Unterinntal dem Bischof von Brixen. Das Gebiet zwischen Kardaunerbach und Breienbach unterstand mit Ausnahme der früheren Gemeinde Eggental vermutlich dem Bistum Brixen. (Die Zeit der Fürstbischöfe)

Da die Fürstbischöfe als Geistliche keine Heeresgewalt inne hatten, sahen sie sich gezwungen, diese Gewalt zusammen mit der Vogteigewalt zu Lehen an Standesgenossen zu übergeben. 1165 erwarben so die Tiroler die Grafschaft Bozen und erhielten die Vogtei vom Bistum Trient. Albrecht III. von Tirol vereinte schließlich die Trienter und Brixner Grafschaften. Sein Enkel Meinhard II. konnte den Herrschaftsbereich noch um einiges vergrößern. Unter seinen Söhnen wurden zahlreiche Güter wieder zurück gegeben, es verblieben jedoch zahlreiche Gerichte, darunter das Gericht Karneid. (Die Grafschaft Tirol)

Die Entstehung der beiden Gerichte Karneid und Steinegg liegt im Dunkeln. Urkundlich belegt ist die Herrschaft der Herren von Völs über das Gebiet, welches sie als Pfand von den Grafen von Tirol erworben hatten. Nach und nach mehrte sich der Einfluss der Burg Karneid, während die Burg Steinegg nach dem Aussterben des Geschlechts derer von Steinegg zusehends verfiel. (Die Burg Steinegg)

Ab dem Jahre 1366 ist nur mehr vom Gericht Karneid die Rede. 1385 ging der gesamte Besitz auf die Herren von Liechtenstein über. (Das Gericht Karneid)

In Bezug auf die Gesamttiroler Geschichte starb mit der Regentin Margarethe Maultasch im Jahre 1369 das Tiroler Adelsgeschlecht aus. Politische Unruhen und eine Reihe intriganter Verwicklungen nötigten die Gräfin, ihr Erbland 1363 an die Habsburger zu übergeben. Das Herrscherhaus Habsburg hatte einen enormen Machtaufschwung erfahren und mit Rudolf I. bereits 1273 den ersten deutschen Kaiser gestellt. (Übergang Tirols an die Habsburger)

Die Herrschaft der Habsburger erstreckte sich über mehrere Jahrhunderte und endete erst mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918, als Österreich auf den größten Teil seiner Erblande verzichten musste und zur Republik erklärt wurde. 1961 verzichtete Otto von Habsburg endgültig auf die Herrschaftsrechte des Hauses. Unter den Habsburgern erfuhr Tirol einen beachtlichen Aufschwung, zumal sich das Herrschaftshaus zunehmend der strategisch günstigen Lage des Landes im Gebirge bewusst wurde. Besonders Maximilian I. verhalf dem Land zu einer wirtschaftlichen Blüte und erweiterte das Territorium bis zu den erst 1918 aufgelösten Grenzen. (Tirol unter der Herrschaft der Habsburger)

Nach dem Tod des letzten Liechtensteiners wurde 1766 Karneid als Pfandlehen der Stadt Bozen verliehen. Lehensträger der Gerichte Karneid, Steinegg und Welschnofen wurde Johann Joseph von Giovanelli. Die gerichtlichen Befugnisse blieben weiterhin aufrecht, auch als Karneid dem Kreisamt an der Etsch und am Eisack eingegliedert wurde, einer vor Kaiserin Maria Theresia geschaffenen Institution zur Kontrolle der Gerichte. Unter Joseph II. wurde die Zahl der Kreisämter reduziert; Karneid gehörte künftig zum Kreis an der Etsch mit Sitz in Bozen. Nach den Tiroler Befreiungskriegen wurde Tirol kurzzeitig dreigeteilt. Das Etschtal südwärts einschließlich Bozen und Umgebung, also auch das Gericht Karneid, kam zum Königreich Italien, dessen Beherrscher Napoleon war. Nach dem endgültigen Sieg über Napoleon bei Waterloo erfolgte 1814 die lang ersehnte Wiedervereinigung mit Österreich und dem Hause Habsburg. (Tiroler Befreiungskriege)

Die neue österreichische Regierung formierte das Gericht Karneid neu: Außer Karneid und Steinegg umschloss das neue landesfürstliche Gericht Karneid noch die Bezirke Jenesien, Mölten, Flaas, Campidell und Wangen. Der Sitz war in Bozen im Ansitz Weggenstein untergebracht. Das Revolutionsjahr 1848 brachte eine weitere Reformierung der Gerichte mit sich. An die Stelle der Landgerichte traten Bezirksgerichte, einige Landgerichte, darunter auch Karneid, wurden aufgehoben. Karneid wurde 1849 zusammen mit Tiers und Deutschnofen dem Bezirksgericht Bozen einverleibt. 1854 wurden die ehemaligen Malgreien Karneid mit Kardaun, Steinegg mit Blumau, Gummer und Welschnofen zur politischen Gemeinde Karneid zusammen gefasst. Der Bau der Eggentaler Straße begünstigte schließlich die Lostrennung Welschnofens von der Gemeinde Karneid. 1870 wurde die Gründung einer eigenen Gemeinde rechtskräftig. Die gemeinsamen Wald-, Weide- und Nutzungsrechte sollten beibehalten werden. (Geografische Orientierung)

Das verbleibende Steuervermögen wurde auf die restlichen drei Fraktionen aufgeteilt. Die wirtschaftliche Notlage in den folgenden Jahrzehnten, Missernten und daraus resultierende Steuerrückstände, bewogen den Ausschuss 1898, die Fraktionen aufzulassen und das gesamte Fraktionsvermögen zum Gemeindevermögen zu machen. Zum Sitz der Gemeinde wurde Steinegg bestimmt. (Aufgaben der Gemeindeverwaltung in ihren Anfängen)

Im Haus der Gemeindekanzlei ging in der Nacht auf den 29. Juni 1914 die Nachricht von der Kriegserklärung Österreichs an Serbien ein. Tags darauf wurden die Einberufungen verteilt. Ein Großteil der Männer, vornehmlich die Jahrgänge von 1864 bis 1893, wurden eingezogen, die Arbeit innerhalb der Gemeinde lastete nun auf den Frauen und Alten. Der Krieg brachte Hunger, Elend und den Tod. 84 Gemeindebürger fielen auf den Schlachtfeldern. Nach Kriegsende waren die Gemeindevorsteher bemüht, den Wiederaufbau mit verschiedenen Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Am 20.September 1919 wurde der Kriegsverlierer Österreich von den Alliierten gezwungen, den Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye zu unterzeichnen, der ihm große staatsrechtliche Einschränkungen auferlegte und es territorial in einen Kleinstaat aufsplitterte. Tirol wurde zerstückelt und der Süden ab der Brennergrenze dem italienischen Staatsgebiet einverleibt. (Südtirol unter Italien)

Die Italienisierungspolitik begann im Oktober 1922 unter der Leitung von Ettore Tolemei. Neben dem faschistischen Programm der Assimilierung förderte der Staat den Zentralismus und lehnte die Selbstverwaltung der Gemeinden ab. Für die neu errichtete Region Bozen-Trient wurde ein Präfekt zuständig, der 1923 den deutschen Sprachgebrauch in allen öffentlichen Ämtern verbot. Deutsches Personal wurde durch italienisches ersetzt. Zur Überwindung von Sprachbarrieren sollte für den Gemeindeverband Deutschnofen, Welschnofen und Tiers ein Sekretär zur Erledigung der deutschen Akten bestellt werden. 1926 wurden die frei gewählten Bürgermeister endgültig abgesetzt und dafür die Podestà ernannt. Für die Gemeinde Karneid brachte die faschistische Regierung neben verwaltungstechnischen auch logistische Veränderungen mit sich. Von 1928 bis 1933 wurde der Sitz der Gemeinde von Steinegg nach Blumau verlegt, um die Postverbindungen besser nützen und die Kanzleigeschäfte schneller abwickeln zu können. Die Verlegung des Gemeindesitzes nach Kardaun erfolgte im Jahre 1933. (Der Verwaltungssitz der Gemeinde Karneid)

Im Jahre 1938 sollte die Gemeinde Karneid auf Anraten des damaligen Podestà Silvio Tabarelli Nobile de Fatis der Gemeinde Bozen einverleibt werden, um die Entfaltung der Provinzhauptstadt zu fördern. Derartige Bestrebungen wurden sowohl durch das Einschreiten einiger Kardauner Bürger und nicht zuletzt durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhindert. Hitler hatte das Deutschtum der Südtiroler bereits in seinem Buch Mein Kampf gewürdigt und auch die Brennergrenze gegenüber Italien anerkannt. Mit Mussolini suchte er über die Achse-Berlin-Rom eine Annäherung der beiden Staaten, welche im Stahlpakt ihren stärksten Ausdruck fand. Die Südtiroler wurden darin vor die Wahl gestellt, italienische Staatsbürger zu bleiben oder für die deutsche Staatsbürgerschaft zu optieren. 1939 optierten 94 Prozent der Gemeindebürger für die deutsche Staatsbürgerschaft und somit für die Auswanderung. Die sogenannten Dableiber sollten umgesiedelt werden. Der Ausbruch des Krieges verschleierte schließlich die Zahl der Auswanderer. In der Gemeinde Karneid dürften es etwa 8 Prozent gewesen sein. Mit dem Sturz Mussolinis 1943 erstarb auch das Projekt der Umsiedelung. Bis 1943 waren die Wirren des Krieges im Gemeindegebiet kaum zu spüren, Männer wurden zwar in den Krieg eingezogen und einige Familien wanderten in das Deutsche Reich ab, doch brach der Krieg über Südtirol erst mit der Kapitulation Italiens herein. Blumau wurde aufgrund seiner günstigen Lage zu einem wichtigen Militärstützpunkt. Besonders die Fraktionen Blumau und Kardaun in der Talsohle wurden Zeugen der Vormärsche der Deutschen Wehrmacht. Bei mehreren Bombenangriffen erlitten nahezu alle Ortschaften der Gemeinde erheblichen Sachschaden. Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches und des Italofaschismus. Südtirol hegte erneut die Hoffnung, wieder an Österreich angegliedert zu werden, doch wurde der Verbleib bei Italien bekräftigt. Die Pariser Abkommen sicherten aber den Volkscharakter und die kulturellen Gepflogenheiten der Provinz. (Nach dem Zweiten Weltkrieg)

Ab Oktober 1946 kehrte auch in die Gemeindestube von Karneid wieder eine mehrheitlich deutsche Verwaltung zurück. Franz Mock wurde zum kommissarischen Bürgermeister ernannt. Zu den ersten Amtshandlungen gehörte der Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Bauten. Auch die wichtigsten Bauvorhaben wie Schulen, oder Straßen konnten in der Folgezeit verwirklicht werden. (Wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg)

Im Frühjahr 1952 wurden nach 30 Jahren erstmals wieder Gemeindewahlen abgehalten. Der neue Bürgermeister Peter Falser stammte aus Karneid. Die folgenden zwei Legislaturperioden von 1956 bis 1964 bestritt Bürgermeister Franz Lantschner aus Steinegg. Auf ihn folgte 1969 Alois Zelger. Von 1974 bis 1999 hielt Bürgermeister Hans Mahlknecht die Geschicke der Gemeinde Karneid in der Hand. In fünf Legislaturperioden und ganzen 25 Jahren entwickelte sich die Gemeinde Karneid zu einer florierenden Instanz mit moderner Verwaltung und leistungsstarken Infrastrukturen. Seit 1999 ist Bürgermeister Albin Kofler im Amt. (Zuständigkeiten der modernen Gemeinde Karneid)

Quellen: Die Gemeinde Karneid. Vereine, Verbände und Genossenschaften. Bozen, 2000. Karneid. Das Leben einer Gemeinde in Vergangenheit und Gegenwart. Bozen, 1987. Pfaundler, Wolfgang: Tiroler Jungbürgerbuch. Innsbruck, 1989. Rottensteiner, Hans: Gemeinde Karneid. Südtiroler Gebietsführer 11. Bozen, 1977. Rottensteiner, Hans: Haus-, Höfe- und Familiengeschichte der Gemeinde Karneid. Hrsg. Gemeinde Karneid, 1992. Rottensteiner, Hans: Schulgeschichte der Gemeinde Karneid. Dissertation 1986.

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